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Japan: Referate

 

Schrift und

Schriftgeschichte

  

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Proseminar Prof. Dr. Eschbach-Szabo                                                                         

Sommersemester 2001                                                                                               

 

Schrift und Schriftgeschichte in Japan

 

Die Entwicklung der japanischen Schrift unter besonderer Berücksichtigung der Adaption des chinesischen Schriftsystems durch die Japaner

Eine Zusammenfassung

 

- Handout -

 

 

A. Grundlegendes

 

 

B. Die Entwicklung in Japan

 

 

I. „Schriftzeichen des Götterzeitalters“ ?

 

Die Annahme einer ureigenen japanische Schrift, der „Schriftzeichen des Götterzeitalters“ (jindaimo[n]ji) ist nach derzeitigen Erkenntnissen nicht haltbar.

 

 

II. Von der Schriftlosigkeit zur Schriftkundigkeit der gebildeten Oberschicht

 

a. Ein goldenes Siegel zeigt das erste chinesische Zeichen für ein japanisches Wort „“ (Ortsname). Problem: während das archaische Chinesisch Auslautkonsonanten aufwies, endete keine einzige japanische Silbe auf solch einen Auslautkonsonanten. [1]

 

 b. Chinas Interesse an Japan

 

Chinesische Berichte geben japanische geographische Bezeichnung und Amtstitel wieder.

 

c. Austausch von Gesandtschaften, Gast- oder Tributsgeschenken; Zustrom schriftkundiger Koreaner

 

Diese Faktoren förderten die Adaption der chinesischen Sprache in Japan. Vermutlich durch schriftkundige Koreaner am japanischen Hofe kam es mit der Zeit zur Ausbildung eines Systems, das jeder der 88 Silben der später als „Altjapanisch“ bezeichneten Sprache mindestens 1 chinesisches Zeichen zuordneten. Konfuzianische Gelehrte aus Korea unterrichteten bei Hof an Hand der klassischen konfuzianischen Werke. 538 gelangten die ersten buddhistischen Sūtren und Abhandlungen nach Japan sowie Bücher in Sanskrit und Pāli. Die Berührung mit dem aus der indischen Gupta - Schrift hergeleiteten Alphabet des Siddham (skr.; jap. Shittan), also einer Silbenschrift mit einem logisch aufgebauten System von Vokal- und Konsonantenabfolge deutet bereits eine spätere Entwicklung der japanischen Schrift an.  Spätestens Ende des siebten Jahrhunderts wurde das Chinesische in Japan dann auch direkt durch Chinesen vermittelt.

 

 

III. Die „Manyôgana“: erste eigenständige lautliche Verwendung der Zeichen

 

Im 6. Jahrhundert wurden nicht mehr nur japanische Eigennamen mit chinesischen Zeichen geschrieben, sondern auch sonstige japanische Worte. Zehn Inschriften (suiko - ibun) aus dieser Anfangszeit weisen 134 chinesische Zeichen auf, die für 62 japanische Silben verwendet werden. Eine Silbe konnte mitunter durch mehrere chinesische Zeichen vertreten sein. 23 dieser Zeichen werden bereits nicht nach einer aus der chinesischen Aussprache abgeleiteten Lesung gelesen, sondern als ein rein japanisches Wort. Das 712 herausgegebene Kojiki setzt diese Entwicklung fort als das erste Werk, das zwar in chinesischer Sprache erschien, aber neben phonetisch gebrauchten chinesischen Schriftzeichen als Lesehilfe und Ortsnamen auch 113 rein japanische Gedichte enthält. Die Schriftzeichen wurden dabei rein phonetisch verwendet, wie es in sino-, sei es in rein japanischer Lesung. Da diese Schreibweise durchgehend in der vermutlich 782/83 beendeten Gedichtesammlung des „Manyôshû“ verwandt wird, hat sich die Bezeichnung „Manyôgana“ eingebürgert.

 

IV. Semmyô - gaki[2]: Manyôgana als grammatische Zeichen

 

Diese Praxis wurde in gewisser Weise für Texte, die zum Vorlesen bestimmt waren, und die fehlerfrei beim Hörer „ankommen“ mußten, aufgenommen (kaiserliche Erlasse, semmyô, und Shintô - Gebete, norito).  Durch die Manyôgana konnten bedeutungsunabhängig Silben dargestellt werden, und die Spezifika der japanischen Grammatik, die durch das rein- chinesische nicht ausgedrückt werden konnten (Postpositionen, Flexionsendungen), wurden so in kleinen, speziell angeordneten Zeichen dargestellt.

 

V. Ersatz durch die Kana

 

Im Folgenden kam es zu einer weiteren Vereinfachung des Schriftsystems auf der Grundlage der Manyôgana, deren Ergebnis die Kana waren. 

 

1. Die Hiragana, „vollständig entlehnte Schriftzeichen“ im Gegensatz zu den Katakana entstanden (9./10. Jh.) dabei - teilweise mit Zwischenstufen, Hentai-gana - auf der Grundlage einer Konzeptschriftform (nicht abgekürzter) vollständiger chinesischer Zeichen, daher hieß diese Silbenschrift noch lange „onnade“ oder „onna moji“.

 

2. Die Katakana, „teilweise entlehnte Schriftzeichen“ (9. Jh.), waren erst seit einem Erlaß des japanischen Kultusministeriums im Jahre 1900 von den Hiragana beim Schreiben klar getrennt. Sie hatten sich entwickelt aus dem Bedürfnis von Mönchen und Priestern, eine Schrift zu erhalten, um die genaue Aussprache religiöser Texte festzulegen und sich Notizen zu machen.

 

3. In der chinesischen Schrift gab es Abkürzungen für besonders oft gebrauchte Worte. Derartige Schreibungen fanden sich, je nach Zeit in unterschiedlicher Gestalt, dann auch im Kana - Bereich.

 

4. Ferner wurden diakritische und Sonderzeichen eingeführt.

 

5. Wieso keine reine Kana - Schrift ?

 

Ein Text ist grundsätzlich wesentlich schneller in Kanji zu erfassen ist, als in Kana, schriftliche Homophonie wird vermieden. Psychologisch mag die Deutung der Kanji als die „richtigen Zeichen“, mana, wie sie in Abgrenzung zu den Kana genannt wurden, die nur die „geborgten“ waren, eine Rolle gespielt haben. Hinzu kommt die Faszination der Kanji an sich.

 

 

VI. Zu den Kana parallele, aber letztlich nicht durchgesetzte Entwicklung: Die Okoto-ten

 

Zur gleichen Zeit (ab dem 9. Jh.) wie die Kana entstand eine Art Notationssystem (Otkoto-ten), das dabei half, chinesische Originaltexte leichter in japanische grammatische oder syntaktische Zusammenhänge umzusetzen. Um die chinesischen Zeichen herum oder sogar in ihren Raum hinein schrieb man, oft auch mehrere und eventuell durchnummerierte, diakritische Zeichen, deren grammatische Funktion zuvor festgelegt worden war. Hier gab es vielfältige Systeme.

 

 

VII. Eigene japanische „Kanji“ („Kokuji“)

 

Wohl auch aus der Faszination der Kanji erwuchsen eigene japanische Zeichen für Inhalte, für die man anscheinend kein passendes chinesisches Zeichen fand.

 

 

VIII. Steigende Zahl der Fremdwörter

 

Was uns heute bekannt ist, die zahlreichen Entlehnungen aus dem Englischen, Deutschen, Französischen ,Russischen und anderen Sprachen, in Katakana gegossen und oftmals als bloße Moderscheinung rasch veraltend, wurde mit der Öffnung Japans seit 1868 initiiert.

 

 

IX. Verringerung der Zahl der zu lernenden Zeichen und weitere Veränderung ihrer Gestalt

 

Im Jahre 1900 wurden die Hentai - gana aus den Lesebüchern der Volksschulen verbannt, nur die heute (weitgehend) noch gültigen Formen von Hiragana und Katakana anerkannt und die Anzahl der im Unterricht verwendeten chinesischen Zeichen auf 1200 begrenzt. Die zuletztgenannte Begrenzung wurde nach Protesten wieder 1906 wieder aufgehoben. 1946 kam es, anscheinend auch unter dem Druck der amerikanischen Besatzungsmacht[3], freilich dann durch Regierungsverordnung zu einer Beschränkung der offiziell verwendeten Zeichen auf 1850, den sogenannten „Tôyô - kanji“. Diese wurden durch 92 Zeichen ergänzt, die seit 1951 lediglich für persönliche Namen freigegeben wurden. Diese Liste wurde 1976 noch einmal um 28 Zeichen erweitert. Die Verordnung von 1946 veränderte (überwiegend: verkürzte) darüber hinaus 426 Schriftzeichen in ihrer Gestalt.

 

 Die Unzufriedenheit mit der Beschränkung auf eine solch geringe Zeichenzahl führte zu einer neuen Liste im Jahre 1981, den Jôyô - kanji („chinesische Zeichen für den Normalgebrauch“), die 1945 Zeichen enthält, die Anzahl der für Namen vorgesehenen auf 166 erhöht und zudem die Muß - Vorschrift der Liste von 1946 in eine Sollens - Vorschrift umwandelt. Zudem wurde anerkannt, daß die richtige Zeichenform die ungekürzte und unveränderte ist, wie sie vor dem 16. 11. 1946 gegolten hatte. Schließlich wurden die den Tôyô - kanji beigegebene Liste der Lesungen ergänzt und für einige Zeichen unwesentlich revidiert. 1990 wurden noch einmal 384 „Schriftzeichen für den Gebrauch in Eigennamen“ (jinmeiyô kanji) zugelassen. Insgesamt gibt es daher nunmehr wieder 2329 offiziell zugelassene sino - japanische Schriftzeichen.

 

Dies war der letzte Schritt im Rahmen einer Entwicklung, die zu einer „kanji - kana - majiri -bun“, einer „Mischschreibung aus chinesischen und Kana - Schriftzeichen“ und deren Ausgestaltung führte, die die japanische Sprache wiederzugeben völlig imstande ist.

 

 

C. Anhang

 

 

Zur Orientierung: Japanische Sprachperioden (nach Grein, 97 f.)

 

 

1.  Archaisches Japanisch

Prae - Jômon (bis 5. Jh. v. Chr.) über Jômon (5. Jh. v. Chr. bis 2. Jh. v. Chr.), Yayoi (2. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr.) und Yamato (3. Jh. bis 6. Jh.) bis Azuka - Zeit (Mitte des 6. Jh. - 710).

 

2. Altjapanisch (jôko nihongo)

Nara - Zeit (710 bis 794) und Heian - Zeit (794 bis 1186)

 

3. Mitteljapanisch (chusei nihongo)

Kamakura - Zeit (1186 bis 1336) und Muromachi - Zeit (1136 bis 1603)

 

4. Neujapanisch (kinsei nihongo, Early Modern Japanese)

Edo (Tokugawa) - Zeit (1603 bis 1868)

 

5. Standardsprache der Gegenwart (gendai hyôjungo, Modern Standard Language)

Seit der Meiji - Zeit.

 


Literaturverzeichnis

 

 

Hinweis: Eine ausführliche Literaturübersicht bietet Grein, 12 ff.

 

 

Grein, Marion: Einführung in die Entwicklungsgeschichte der japanischen Schrift. Mainz: Liebe 1994.

 

L e w i n, Bruno: Sprachbetrachtung und Sprachwissenschaft im vormodernen Japan. Rheinisch - Westfälische Akademie der Wissenschaften. Vorträge G 258. Opladen: Westdeutscher Verlag 1982.

 

M i l l e r, Roy Andrew: Die japanische Sprache. Geschichte und Struktur. Aus dem überarbeiteten englischen Original übersetzt von Jürgen Stalph in Verbindung mit Anita Brockmann... Monographien aus dem Deutschen Institut für Japanstudien der Philipp - Franz -  von Siebold - Stiftung. Band 4. München: Iudicium 1993.

 

M ü l l e r  -  Y o k o t a, Wolfram : Schrift und Schriftgeschichte, in : Bruno Lewin, Sprache und Schrift Japans. Von Bruno Lewin in Zusammenarbeit mit Kay Genenz... [In: Handbuch der Orientalistik. Fünfte Abteilung. Japan. Herausgegeben von H. Hammitzsch. Erster Band. Allgemeins, Sprache und Schrift. Zweiter Abschnitt. Sprache und Schrift Japans.] Leiden, New York, Køpenhavn, Köln: Brill 1989, 185 ff.

 



Dies ist das Handout. Die umfassende Referatsversion findet sich hier.


 

 

 

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© 2001 André Marhaun · Kontakt


 

Erstellt:                                   15. Juni 2001

Letzte inhaltliche Änderung: 15. Juni 2001

 


 

 

 

 

 

                                       

André Marhaun

18. Juni 2001

 

 

 

 

 



[1] Während die chinesische Schrift, ein eher auf morphemischen als auf phonemischen oder phonetischen Prinzipien beruhendes Schriftsystem (d. h., es handelt sich bei den Einheiten, für die die chinesische Schrift individuelle graphische Zeichen zur Verfügung stellt, um Morpheme - sprachliche Einheiten wie shan (Berg), jen (Mensch) oder kuo (Land, Staat)) für die Verschriftung des Chinesischen, das damals wie heute keine oder nur geringfügige Flexion besaß, recht geeignet war, ähnelte das Japanische in dieser Hinsicht eher dem Deutschen oder Englischen. Es besaß flektierte Formen und eine Menge grammatischer Kategorien und Merkmale, die sich stark von denen des Chinesischen unterschieden. Vgl. Miller, 100.

[2] Semmyô - Schreibstil.

[3] Vgl. Müller - Yokota, in: Lewin, 185 (218).